Liebe Leser,
die kurze Antwort ist: nein!
Zumindest seit 1967, denn ab da hat man die Sekunde neu definiert (auf eine komplizierte Weise, die nur Physiker verstehen). Davor war eine Sekunde einfach 1/86400 eines mittleren Sonnentages (60sec. x 60min. x 24St.). Das Problem dabei: Die Erde dreht sich nicht gleich schnell um ihre eigene Achse, sondern verlangsamt sich. Groß ist der Effekt nicht, vor 60 Mio. Jahren, zur Zeit der Dinosaurier war ein Erdtag 23,5h lang. Derzeit ist er einige Millisekunden länger als in den 1960er Jahren, als man die Sekunde neu definierte.
Warum?
Aufgrund der durch den Mondumlauf bedingten Gezeitenkräfte (auch Gezeitenreibung genannt) verformt sich die Erde minimalst und wird dabei „durchgewalkt“ (ähnlich wie ein platter Reifen am Auto). Dadurch wird ein kleiner Teil der Rotationsenergie in Wärme umgewandelt und die Rotation verlangsamt sich auf diese Weise.
In den letzten Jahrzehnten hat man diese Verlangsamung ausgeglichen, indem man alle paar Jahre Schaltsekunden (engl. leap seconds) eingeführt hat, insg. 27 bisher.
https://www.scientificamerican.com/article/leap-seconds-may-be-abandoned-by-the-worlds-timekeepers/
Diese Schaltsekunden haben nichts mit den Schalttagen zu tun, die alle 4 Jahre eingefügt werden. Diese sind notwendig, weil das astronomische Erdjahr nicht genau 365 Tagen entspricht, haben also mit der Drehung der Erde um die Sonne, aber nicht um sich selbst zu tun!
Nun, es wird Euch aus der Abb. oben vielleicht nicht entgangen sein, dass in letzter Zeit weniger Schaltsekunden eingeführt werden mussten. Dreht sich die Erde doch wieder schneller? Und wenn ja, warum??
Die Eiskappen an den Polarregionen, die die Erde an den Polen zusammengedrückt haben, sind seit dem Ende der letzten Eiszeit stark zurückgegangen und dadurch hat sich die Erde dort wieder etwas ausgedehnt, mit dem Effekt, dass sie weniger "ellipsoid" geworden ist, sondern wieder etwas mehr kugelförmig. Und jeder kennt das Phänomen einer um eine Achse rotierenden Masse am Beispiel eines Eiskunstläufers, der wenn er die Arme zu sich (also Richtung Zentrum) zieht, er sofort schneller rotiert. Das gleiche passiert auch bei der Erde. Aber konterkariert wird dieser Effekt dadurch, dass das entstandene Schmelzwasser wie der Rest der Meere durch die Rotation nach außen und Richtung Äquator geschleudert wird, das erhöht wiederum den Spin. Diese Effekte sind alle so minimal, dass man gar nicht genau vorhersagen kann, welcher Effekt in einiger Jahren die Oberhand hat. Auch wenn man, wie manche vermuten, 2029 eine negative Schaltsekunde einführen müsste, ist der langfristige Trend der gezeitenbedingten Rotationsabschwächung intakt und man müsste danach erst recht wieder (positive) Schaltsekunden einführen.
2022 war von der Internationalen Generalkonferenz für Maß und Gewicht daher vorgeschlagen worden, ab 2036 die Schaltsekunden komplett auszusetzen und stattdessen 20 (oder gar 100) Jahre zu warten und dann eine größere Anpassung zu machen (die man vorher entsprechend planen kann). Denn der Nutzen der sekündlichen Anpassungen ist gering, die Gefahr weit größer! Denn viele Computerprogramme sind gar nicht darauf ausgelegt, eine negative Zeitanpassung zu erlauben. Bei der Schaltsekunde vom 30. Juni 2012 kam es weltweit bei bestimmten Linux-Servern zu ziemlichen Problemen durch einen Programmfehler. Die Fluglinie Qantas musste ca. 50 Flüge verschieben, auch viele große Webseiten waren betroffen - eine Art "Millennium-Bug 2.0".
Google umgeht übrigens dieses potentielle Problem mit den Schaltsekunden! Anstatt die Sekunde in einem Schritt einzuführen, passt es die Zeit über einen Tag verteilt in winzigen Schritten an (sog. "leap smear"), für diesen einen Tag ist dann jede Sekunde bei Google ein ca. 86000stel länger als üblich!
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gezeitenkraft#Beispiel_Erde-Mond-System
https://www.scientificamerican.com/article/leap-seconds-may-be-abandoned-by-the-worlds-timekeepers/