Wie unlängst prophezeit hat sich die Welt trotz des fortschreitenden Russland-Ukraine-Kriegs weitergedreht – und tut dies hoffentlich noch eine ganze Weile ebenso. Inzwischen herrscht sogar tatsächlich so etwas wie Normalität, obgleich sich mithin ein mal mehr, mal weniger besorgniserregender Blick gen Medien richtet, die natürlich weiterhin im „Permanenz-Breaking-News-Alert“ über die neuesten Entwicklungen aus den Kriegsregionen berichten.
Nach zwei Jahren coronabedingter Entbehrungen und trotz des aktuellen Kriegszustands inmitten von Europa lechzen wir nach einem Quäntchen mehr Normalität und Freiheit im Vorfeld des beginnenden Frühlings – ob nun zu Recht oder Unrecht, mag beinahe schon eine philosophische Frage sein, die nicht ich, Ihnen allerdings gern jederzeit von Pseudo-Dauermoralisten (mit mahnendem Zeigerfinger) beantwortet werden kann – sofern Sie das denn wollen.
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Gleichwohl reicht die Empathie der meisten Menschen kaum dauerhaft über die eigene Familie und engsten Freunde hinaus – von Gandhi, Mutter Teresa oder Hardcore-Humanisten einmal abgesehen. Insofern scheint es wenig verwunderlich, dass wir uns (als nicht direkt Betroffene) trotz medialer Dauerbeschallung mit der Zeit mehr und mehr mit der Situation als neue Normalität arrangieren und uns wieder primär den Problemen unseres eigenen Lebens widmen. Das ist weder zynisch noch inhuman, sondern unser aller Naturell. Oder interessiert sich heute noch irgendjemand akut für die nicht wenigen Flutopfer u.a. im Ahrtal? So lange es der Mainstream nicht tut, tut es die Masse schon gleich gar nicht – „the new Normal“ eben!
Von (neuer) Normalität scheint der Kapitalmarkt indes mit Abstrichen, die Primärmarktaktivitäten sogar gänzlich, entfernt. Der Krieg, seine Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft sowie die hohe Volatilität verunsichern Investoren. Angesichts dieser Gemengelage traut sich kaum ein Aspirant auf das allzu rutschig erscheinende Parkett. So fanden denn auch die weltweiten IPO-Aktivitäten nach einem vielversprechenden Jahresauftakt im Januar und somit das positive Momentum aus dem Rekord-IPO-Jahr 2021 folgerichtig ein jähes Ende.
Dennoch: Frei nach Goethes Osterspaziergang ,regt sich überall Interesse und Streben, den Primärmarkt mit Neulingen zu beleben‘: Hierzulande ist es neben Porsche u.a. die Crowdinvesting-Plattform für Immobilien, Engel & Völkers Digital Invest, die zeitnah via IPO auf das Aktienmarktparkett strebt. In Paris forciert derweil der Musikstreaming-Dienst Deezer sein Kapitalmarktdebüt via SPAC-Transaktion, nachdem ein Erstversuch 2015 wegen unpässlicher Marktbedingungen und Zweifel am Geschäftsmodell(?) noch abgeblasen wurde. Und auch für den Klavierbauer Steinway – übrigens deutscher Herkunft – soll in Kürze die Musik wieder an der New Yorker Börse spielen. Hierfür habe das Traditionsunternehmen einen entsprechenden Antrag bei der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC eingereicht. Der Ausblick für das weitere Jahr lautet insofern: vorerst ungewiss, aber bei weitem nicht hoffnungslos – die Liste potenzieller Neulinge ist lang.
Michael Fuchs