Der Flieder und ein kleines Mädchen
Für so manchen mögen die 2 bis 6 Meter hohen Fliedersträucher nur lästiges Gestrüpp sein, aber ein kleines Mädchen Namens Mia mochte sie schon immer ganz Besonders, die Blütenpracht, die man nicht im Blumenladen bekam. Was man im Blumengeschäft bekommt, ist meistens was besonderes, dachte Mia oft, weil die Leute es ja dort für teures Geld kaufen, wie besonders muss dann Flieder sein, wenn diese erlesenen Läden ihn gar nicht anbieten. Zumindest hatte Mia nie welchen gesehen, wenn sie mit in ein Blumengeschäft durfte.
Sie freute sich bestimmt nicht über jeden Blumenstrauß, der vorbei gebracht wurde, aber wenn der Nachbar einen so riesigen Fliederstrauß brachte, dass die große Bodenvase geholt werden musste, dann war das auch für sie etwas ganz besonderes. Die Erwachsenen fanden den gefüllten Blassen oft schöner und edler, aber ihr waren die Farben wichtig. Ganz besonders schön fand es Mia, wenn das dunkle Lila mit etwas weiß als Kontrast gemischt war. Sie war fasziniert von den Rispen mit den vielen Blüten und musste sie immer wieder bewundern. Die Haptik, wenn sie über die weiche Blütenanordnung strich, war für sie viel bedeutender als ihr Duft, während die herzförmigen Blätter noch einen zusätzlichen Schmuck für die Kleine darstellten.
In all ihrer Begeisterung kam das Mädchen auf die Idee, einige Rispen mit unterschiedlichen Farben via Flugreise mit in den Urlaub zu nehmen, um den Menschen dort diese für sie so wunderschönen Blumen zu zeigen. Denn hierzulande bekamen sie ihres Erachtens nach zu wenig Beachtung und Lob. Dass sie damit den Flieder auch irgendwie zu einer exotischen Pflanze gemacht hat, daran hatte sie keine Zweifel, denn es ist eine logische Konsequenz durch den Perspektivwechsel, wenn man ihn mit in ein fernes Land nimmt, muss das aus der Sicht der dortigen Einwohner einfach so sein. Mia dachte sich damals in Ihrer kindlichen Vorstellung, dass sich die Menschen dort bestimmt so sehr an der Schönheit des Flieders freuen, wie sie an den Blumen dort, die in ihrer Heimat wiederum nicht wachsen. Das Sträußchen wurde durch ein nasses Tuch mit Wasser versorgt und selbstverständlich unterwegs, wenn Zeit war erneuert, damit es auch lange halten kann und viele Menschen etwas davon haben könnten. Ihre Eltern dürfte das zeitweise auch genervt haben, dass ihr Kind mehr darum bemüht war, dass dem Flieder keine Blüte knickt, als zu funktionieren, irgendwo mal schnell mit anzupacken oder sich einfach zu beeilen. Sie hat aber auch ihren eigentlich engsten Vertrauten nichts von ihrem Vorhaben erzählt, aus Sorge, sie würden es ihr ausreden oder mehr noch verbieten. Ein weiteres Problem war, dass sie sehr schüchtern war und nicht diese Art von Kind, das immer zu jedem hingegangen ist und gesagt hat: "Schau mal, was ich da schönes habe!". Wobei sie die Sprachbarriere dabei gar nicht bedacht hatte. Nun war das kleine Mädchen also darauf angewiesen, dass sie jemand auf die schönen Blüten ansprach. Bei dieser Hoffnung, dass das passieren wird, schwang auch die Angst der Schüchternheit mit und ob sie sich dann trauen würde, von dieser Pflanze zu erzählen. Aber es passierte nicht, die mitreisenden Landsleute schienen sich nicht zu wundern, weshalb ein kleines Mädchen ein Fliedersträußchen auf der Urlaubsreise behütet, statt irgendein Spielzeug in der Hand zu haben oder umherzutollen. Aber Mia hatte eine wichtige verdeckte Mission, die nur aufmerksamen Menschen offenbart werden sollte, da muss man dann auch mal auf Dinge verzichten, dessen war sie sich bewusst und es war kein Opfer für sie. Jedoch hat auch sonst keiner gefragt oder in irgendeiner Weise sein Interesse am Flieder bekundet. Nicht am Zielflughafen, im Bus oder an der Rezeption und schließlich standen die Blümchen im Badezimmer in einem Wasserglas, aber sie hatte noch etwas davon, während die Fliedersaison in ihrer Abwesenheit zu Hause schon dem Ende zuging, konnte das Mädchen die Blüten dennoch genießen. Wenn sie das Sträußchen sah, war es etwas Freude, aber auch etwas Enttäuschung, dass sie nicht den Mut hatte, es jemanden zu schenken, dem es gefallen hätte und sie fand es in ihrer kindlichen Denkweise auch traurig, dass die Blümchen scheinbar so wenig Beachtung fanden. Was ihr aber noch bleibt ist der Gedanke, dass sich möglicherweise das Zimmermädchen über die aus ihrer Sicht exotisch wirkenden Pflanzen und deren Anblick gefreut hat, sowie auch viele andere Menschen auf der Reise, die vielleicht auch so scheu waren, wie sie selbst und sich einfach nicht sagen trauten, wie schön sie den Flieder finden.
Ich hoffe, meine kleine Geschichte mit kindlichen Gedanken hat Euch gefallen. Ob es eine Kindergeschichte ist, die Ihr Eurem Nachwuchs vorlesen mögt, das dürft ihr selbst entscheiden.
Mit herzlichen Grüßen
Kvinna
@fredfettmeister
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