Liebe Leser,
im Wienerwald gibt es ziemlich Überraschendes zu entdecken, zum Beispiel Beutekunst aus einem Feldzug gegen die Osmanen!
Die Laudongräber
An einer heute wenig attraktiven Stelle ganz in der Nähe der Mauerbachstraße im 14. Bezirk in Wien, am westl. Stadtrand (damals am Rande des Laudon´schen Guts) ist heute das Grabmal von Ernst Gideon Freiherr von Laudon (1717-1790) zu finden. Dieser Feldherr, der unter anderem gegen die Preußen und Türken gekämpft hatte, war unter Kaiserin Maria Theresia zu höchsten militärischen Ehren aufgestiegen und bei der Bevölkerung wegen seines Draufgängertums sehr beliebt. Er hatte 1776 das (sehenswerte) Schloss Hadersdorf gekauft (später Schloss Laudon genannt), das ich schon hier beschrieben hatte.
Das Grabmal (ein Kenotaph) ist mit allerlei militärischen Symbolen dekoriert, aufgefallen ist mir dieses Ding, von dem Blitze ausgehen. Könnte es sich um einen stilisierten Marschallstab handeln (Gideon war seit 1778 Feldmarschall)? Oder um ein Freimaurersymbol? Oder eine frühe Form einer E-Zigarre?
An einer Seite sitzt ein "trauernden Geharnischter" in Lebensgröße. Das Lanzengitter stammt aus 1835.
Nicht unweit davon, auf einem kleinen Hügel sind die noch weniger bekannten Gräber von Olivier (1795-1881) und Alexander (1762-1822) von Laudon zu finden. Alexander von Laudon hatte das Schloß von Gideon geerbt, Olivier war Alexanders Sohn.
Es findet sich heute keinerlei Hinweis auf die Namen der Begrabenen. Als ich vor ca. 10 Jahren zuletzt dort war, gab es eine Tafel, die offenbar entfernt worden war.
Jedenfalls entsprach das Grabmal Gideons nicht dem Wunsch des Feldmarschalls, der dafür eigentlich einen von der Eroberung Belgrads mitgebrachten osmanischen Marmorsarg und andere Elemente vorgesehen hatte (am 8. Okt.1789, nur Monate vor seinem Tod, hatte er (bzw. seine Armee) Belgrad von den Türken zurückerobert, nachdem die Türken 1739 Belgrad eingenommen hatten, das zuvor 1717 von Prinz Eugen befreit worden war). Obwohl solche exotischen Bestattungsinszenierungen damals en vogeu waren, wollte seine Witwe, Clara Laudon, kein Grab "in türkischem Stil" und stattdessen wurden diese Kriegstrophäen im umgebenden Wald "malerisch" gruppiert. Um sie vor Verwitterung zu schützen, wurden sie, erst am Ende des 19.Jhd.s, an einer eigens errichteten Natursteinmauer angebracht und mit erläuternden Texttafeln ergänzt, wo sie heute im Volksmund als Türkensteine bekannt sind.
Die Türkensteine
Es handelt sich um zwei große Marmortafeln, die unter Sultan Mahmud I. (1696-1754) zu Ehren der Eroberung Belgrad über dem dortigen Konstantinopeltor angebracht worden waren, und vier kleinere Tafeln vom Grabmal des Belgrader Festungskommandanten Ibrahim Pascha. Die Tafeln wurden komplett sinnwidrig zusammengewürfelt (Steine von zwei grundverschiedenen Denkmalen wurden zusammengeworfen und Teile eines dreidimensionale Objekt (des Sarkophags) in eine Ebene gebracht.
Die untere Tafel ist eine Tughra, ein Namenszug des osmanischen Sultans, also ein imperiales Signum. Die ursprüngliche Goldfarbe ist inzwischen längst verwittert.
Der Heimito von Doderer-Stein
Nur ca. 30m südlich der Türkensteine befindet sich, am Rand eines kleinen Weges, dieser Gedenkstein.
Hier stand früher (bis 1960) das Loudon´sche Forsthaus, in dem im Sep. 1896 der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer (1896-1966) geboren wurde. Sein Vater war als Architekt und Bauunternehmer beteiligt bei den Bauarbeiten zur Wienflussregulierung und so war die Familie vorübergehend dort einquartiert. Doderer´s bekanntestes Werk ist wohl die Strudelhofstiege und gilt als eines der bedeutendsten Werke der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts und ein wichtiges Zeitdokument für die Zwischenkriegszeit Wiens.
Vom Forsthaus ist heute nichts mehr zu bemerken - als ob es nie existiert hätte.
Nur ganz wenig findet sich noch unter/zwischen dem Laub, Ziegelsteinreste und dieses runde Ding, vermutlich der abgebrochene Boden eines Weinglases.
Die Hadersdorfer Schisprungschanze
Ebenfalls in der Nähe, in Richtung "Wald der Ewigkeit" (den ich schon hier beschrieben hatte), nordwestlich der Loudon´schon Güter, erregte diese Tafel meine Aufmerksamkeit.
Detail eines alten Zeitungsartikels. Ich hoffe, Ihr könnt den Text flüssig lesen, damals wurde noch ausschliesslich in Fraktur gesetzt, was heute gewöhnungsbedürftig ist (das kleine "s" sieht wie ein "f" aus).
Schispringen war bei den Wienern zwischen den beiden Weltkriegen offenbar sehr beliebt und Schnee reichlich vorhanden (auch ohne Schneekanonen). 1932 wurde hier eine Schisprungschanze angelegt (eine von 3 in/rund um Wien) und 1936 erweitert. Im Winter 1937/38 sprang auf dieser Schanze der "Meisterspringer" Reinhart aus Bischofshofen, wie im Zeitungsartikel erwähnt, mit 65m den Schanzenrekord. Nach dem Krieg hatte man andere Sorgen, Fördergelder wurden gestrichen und so verfiel die Schanze mit der Zeit.
Das Foto stammt aus 1938.
Quelle
Der Auslaufbereich, am "Kasgraben", wie er sich heute darbietet, im Hintergrund der Hügel, von wo man absprang. Kaum zu glauben, dass sich hier früher tausende Menschen versammelt hatten.
Den Kasgrabenbach kann man auch anders, weit bequemer, überqueren, aber an dieser Stelle, abseits der Wege, wähnt man sich noch in einem Dschungel.
Ich hoffe, ich konnte Euch einen kleinen Einblick in die reichhaltige Geschichte geben, die der Wienerwald dem aufmerksamen Beobachter erzählt.
Quellen:
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Loudongrab
https://de.wikipedia.org/wiki/Loudon_(Adelsgeschlecht)
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/T%C3%BCrkensteine
https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Skisprungschanzen