Liebe Leser,
heute ist bekanntlich "Mariae Himmelfahrt" (in Öst. ein Feiertag), da bietet sich doch ein religiöses Thema an.
Die überwiegende Mehrheit der Menschen glaubt an irgendeine Form von höherem Wesen, der Einfachheit halber "Gott" genannt. Ob Jesus, Allah oder Shiva spielt dabei keine Rolle für die folgenden Ausführungen.
Ich persönlich halte ja die monotheistischen Religionen (im Gegensatz zu den Naturreligionen bzw. zum Schamanismus) für ein Produkt der Evolution, eine Anpassungsleistung der Menschen, die diesen ermöglichte, auf engem Raum relativ friedlich zusammenzuleben und die "gottgewollte Ordnung" nicht anzuweifeln. Denn diese Religionen kamen erst auf, nachdem sich die Menschen in Städten organisiert hatten und erstmals eine Unterschicht bzw. soziale Ungleichheit entstand, die befriedet werden musste. Aber nehmen wir einmal an, es gibt Götter tatsächlich.
Dann stellt sich doch die Fage, wer hat Gott geschaffen? Nichts war einfach da, nicht einmal das Universum (aber das ist ein anderes Problem, es gibt ja Alternativen zum Urknall). Meistens (z.B. hier) wird diese Frage beantwortet mit "Niemand, Gott war schon immer da!" Aber abgesehen davon, dass das eine wirklich plumpe Antwort ist (eher das Ausweichen vor der Frage) und rätselhaft bleibt, woher der Antwortgeber das überhaupt wissen kann, erscheint sie auch völlig unplausibel. Sie würde bedeuten, dass die Erdengötter zugleich auch Götter aller anderen Welten und Zivilisationen wären, im gesamten Universum mit seinem Durchmesser von mindestens 78 Milliarden Lichtjahren (1). Laut einer relativ aktuellen Schätzung soll es allein in unserer Galaxie mind. 36 hochentwickelte Lebensformen geben (2) und es gibt vermutlich mehr als 100 Milliarden Galaxien (3)!
Wenn ein Mega-Gott, der Gott geschaffen hat, einhellig negiert wird (denn wenn nicht, würde das die Frage nach sich ziehe, wer denn den Mega-Gott geschaffen hat) und die einzige Vermeidung dieser Fragenkette ist, dass Gott die gesamte Schöpfung (=das Universum) verursachte, dann ist das wohl die einzige Schlussfolgerung: Hunderttausende Lichtjahre entfernt müssen dann wohl die Aliens ebenfalls zu Jesus und den anderen Göttern (je nach bevorzugter Religion) beten, so schwachsinnig sich das auch anhört. Oder deren Gottesvorstellung sieht einen komplett anderen Gott vor (obwohl der gleiche wir "unserer" gemeint ist), angepasst an deren Evolution und physikalische Bedingungen. Das würde allerdings dann wiederum dafür sprechen, dass Gott doch ein Produkt der Evolution ist, oder? Nicht unbedingt, werden Gläubige einwenden, denn eine Ameise wird einen Elefanten auch komplett verschieden beschreiben, je nachdem, ob sie an dessen Bein oder in dessen Ohr krabbelt.
Also scheint es dabei zu bleiben: Eine Schöpfung - ein Universum (das Multiversum (4) lassen wir einmal beiseite) - ein Gott.
Zumindest wäre das eine Erklärung für die oftgestellte Frage, warum Gott so unbarmherzig sein kann, und Katastrophe X zugelassen hat, bei der Y unschuldige gläubige Opfer zu beklagen waren. Er könnte einfach anderso in Universum beschäftigt gewesen sein. Über 3600 Milliarden Planeten voll mit tollpatschigen Lebewesen, das ist sicher auch für einen Gott eine Herausforderung!
Aber wenn sich die sterblichen Gläubigen irren und etwa die Multiversum-Theorie nicht ausreichend berücksichtigt haben (kein Wunder, die gibt es ja noch nicht so lange)? Entweder das (pro Paralleluniversum je ein separater "Parallel"-Gott), oder es gibt doch mehr als einen Gott (einer pro Galaxie oder Supergalaxiehaufen). Wäre das so abwegig? Und warum nicht annehmen, dass auch Götter eine Evolution durchlaufen? Ewigkeit heißt ja nicht Unveränderlichkeit. Auch Unsterbliche könnten Nachwuchs haben (sogar unendlich viel, um genau zu sein), zumal das Universum expandiert und Raum für zusätzliche "Führungsstrukturen" ermöglichen würde.
Kurzum, könnte es nicht auch unter den Göttern ein survival of the fittest geben? Und zwar auf mehreren Ebenen.
Auf der menschlich-psychologischen: Götter, die nichts können und nichts leisten für die Menschheit, würden einfach nicht mehr angebetet werden (eine solche Religion würde dann einfach verschwinden und der Gott mit ihr (vermutlich)), oder durch mächtigere Götter ersetzt. So wurde Mithras, der von den Römern seit dem 1. Jhd.n.Chr. angebetete Gott, ein Opfer des Christentums und geriet völlig in Vergessenheit (5).
Auf der Ebene der Götter selber. Zumindest für uns ist alles, was existiert, einer Veränderung unterworfen, sogar Berge aus härtestem Gestein ändern ihre Form unter dem Einfluß der Zeit (und des Wetters, Tektonik, etc.). Warum nicht auch Götter? Da wird es aber richtig spekulativ. Jedenfalls ist eine Evolution für mich wesentlich plausibler als die Annahme einer ewigen Existenz ohne Anpassung. Falls es mehr als einen Gott geben sollte, um so mehr. Dass sich Götter aber so primitiv balgen wie in der griechischen Mythologie, war eine höchst kindlich-naive Annahme. Ein echter göttlicher Daseinskampf setzt voraus, dass sich die Umweltbedingungen für Götter drastisch verändern (Ohne solcher Veränderungen entsteht kein Anpassungsdruck). Hier muss man schon sehr groß denken. Ein einfaches supermassives Schwarzes Loch wird da nicht reichen. Aber eventuell ein kollabierendes Universum, das wieder in eine Singularität zusammenfällt, das könnte auch einen Gott an den Rand seiner Existenz bringen!
Die Erschaffung Adams (Sixtinische Kapelle), CC BY 3.0
Quellen:
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Universum#Form_und_Volumen
(2) https://iopscience.iop.org/article/10.3847/1538-4357/ab8225
(3) https://markettay.com/de/wie-viele-galaxien-gibt-es/
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Parallelwelt
(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Mithraismus