Liebe Glückssucher,
mit der obigen Frage meine ich nicht, ob glücklich sein trainierbar ist. Dafür gibt es ja die inflationäre Armada an Lebensberatern, die einem versichern, das (Lebens)Glück sei ein Muskel, der trainierbar ist, siehe hier, hier oder hier. Nein, ich meine nicht Glück im Sinne von Zufriedenheit, sondern Glück als Gegenteil von Pech, im Sinne von "Glück gehabt".
Ob das trainierbar ist, ist auf den ersten Blick eine dumme Frage, denn hier kommt ja der Zufall ins Spiel. Aber sind alle Zufälle wirklich rein zufällig?
OK, der Extremfall ist sicher Lotto bzw. reine Glücksspiele. Hier nicht jede Woche den Haupttreffer zu erzielen ist kein Pech, sondern eine Sache der Wahrscheinlichkeit. Mathematische Wahrscheinlichkeiten sind unveränderlich und falls die Ziehung nicht manipuliert wird, sind die Ergebnisse auch nicht vorhersagbar. Obwohl, auch da gibt es z.B. beim Roulette bestimmte Systeme, um die es hier aber nicht geht.
Nein, ich meine Alltagssituationen, bei denen man manchmal einfach Glück hat, in dem man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, den "richtigen Riecher" bei einem Investment hatte oder einer unangenehmen Situation ausweichen konnte und dergleichen. In der Alltagssprache sagt man hier oft "Glück" oder "Schwein" gehabt. Schweine waren in vergangenen Zeiten Zeichen für Wohlstand und Fruchtbarkeit, man wünschte dem anderen, ein Schwein zu haben, wenn man ihm wohlgesonnen war. Heute wünsche ich so manchen Menschen, doch besser weniger Schweinefleisch zu essen, ihrer Gesundheit zu liebe! Heutzutage hat sich ohnehin fast alles in sein Gegenteil verkehrt, aber ich schweife ab.
Mit Ausnahme der Glücksspiele behaupte ich: Glück zu haben ist trainierbar!
Der Clou ist, OFFEN ZU SEIN für das Glück, genau wie beim Fotografieren man offen sein soll für spontane Fotomotive.
Wie kann man offen sein? Indem man seine Aufmerksamkeit nicht zu 100% auf ein Ding oder eine Sache konzentriert. Dazu ein Experiment:
"Bitte findet möglichst rasch heraus, wie oft in diesem Satz der Buchstabe "e" vorkommt!"
Geschafft?
Kann es sein, dass im Moment des Buchstabenzählens Eure Aufmerksamkeit komplett auf das Zählen fokussiert war und auf nichts sonst? Wie schnell das doch geht, dass plötzlich unsere Wahrnehmung zu 100% auch bei noch so unwichtigen Dingen ist, oder? Ich meine, wie wichtig ist es schon, wie häufig ein Buchstabe in einem Satz vorkommt? Im Alltag passieren oft solche Situationen, die unsere Wahrnehmung fesseln und wie Vampire absaugen. Manche Menschen sind dafür eher anfällig als andere.
Im übertragenen Sinn ist das gemeint, wenn Richard Wiseman, der ehemalige Zauberer, Glücksforscher, Entdecker des witzigsten Witzes der Welt und Quirkologe sagt:
"Unlucky people miss chance opportunities because they are too focused on looking for something else. [...] Lucky people are more relaxed and open, and therefore see what is there rather than just what they are looking for." — Richard Wiseman
Seine Erkenntnisse zur Glücksforschung hat Wiseman vor allem durch Befragungen von angeblichen Glückspilzen und Pechvöglen erhalten, und 2003 zu dem Buch "The Luck Factor" zusammengefasst. Wenn Ihr es nicht lesen wollt, hier die Kernthesen:
1- Maximiere Deine Zufallschancen
Glückspilze sind extrovertierter und im Schnitt offener im Umgang mit anderen Menschen. Dadurch kommen sie zu mehr Kontakten und Informationsaustausch. Durch viele Kontakte und die Pflege dieses Netzwerks erhalten sie zum Beispiel eher bzw. früher Hinweise auf nützliche Infos und Optionen.
Glückspilze haben eine im Durchschnitt gelassenere Einstellung zum Leben als Nicht-Glückspilze.
Das lässt sie entspannter und ergebnisoffener an Herausforderungen und neue Erfahrungen herangehen, anstatt verbissen ein einziges Ziel im Auge zu haben.
2- Folge Deinen glücklichen Eingebungen
Höre auf Deine „innere Stimme“, Deinen 6. Sinn!
Laut Wiseman ist es statistisch belegt, dass Glückspilze öfter ihrer Intuition vertrauen, nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in geschäftlichen und finanziellen Dingen!
Nicht nur das, sondern sie helfen ihrer Intuition auch regelrecht auf die Sprünge, indem sie öfter meditieren oder Entscheidungen öfter auf einen späteren („richtigen“) Zeitpunkt vertagen. Wer im Augenblick verharrt, nicht denkt, nicht plant, nicht in die Zukunft schaut, der kann in Kontakt zur Intuition kommen.
3- Sei optimistisch
Glückspilze sind generell optimistischer und haben eine positivere Erwartungshaltung als Pechvögel.
Denkt an die selbsterfüllende Prophezeiung. Wer ständig glaubt, dass es nicht klappt, schafft leider die besten Voraussetzungen dafür, dass es wirklich nicht klappt!
Wer aber an einen Wunsch oder ein positives Ereignis glaubt und daran denkt - sich das Erhoffte bereits visualisiert, der sendet die "richtigen Schwingungen" aus, im Vergleich zu jemandem, der immer pessimistisch durchs Leben geht.
4- Erkenne das Glück im Unglück
Wenn Glückspilze einmal Pech haben, sehen sie trotzden öfter etwas Positives, indem sie sich vorstellen, dass es z.B. noch viel schlimmer hätte ausgehen können. Sie grübeln nicht über erlebtes Unheil oder Ungerechtigkeit nach, sondern haken Unglückssituationen viel früher als abgeschlossen ab und kehren zu ihrer optimistischen Grundeinstellung zurück.
In dem Zusammenhang gilt auch:
"Du bekommst immer, worüber Du nachdenkst" (Pierre Franckh)
Damit ist gemeint, dass die ständige Beschäftigung mit Negativem nicht zielführend für die eigene positive Lebensgestaltung ist!
Eigentlich sollte das ja keine Lebensberatung sein. Ist jetzt doch eine daraus geworden?
Was meint Ihr zu den 4 Thesen von Wiseman?
Und habt Ihr schon mal richtig Glück gehabt? Würdet Ihr Euch sogar als Glückspilz bezeichen?
Buchtipp:
Richard Wiseman: So machen Sie Ihr Glück
Goldmann-Verlag, 2004