Liebe Leser,
in Teil 1 bin ich bis ca. zum 18.Jhd. gekommen, in diesem Post versuche ich, Euch einen kleinen Einblick in die restliche Ausstellung zu geben.
Das "Grillparzer-Zimmer" ist eine Rekonstruktion mit Originalmöbeln, die zeigt, wie der öst. Nationaldichter Franz Grillparzer zw. 1849 und 1876 gewohnt hat. Ein guter Einblick in den Alltag des Biedermeier.
Das "Donauweibchen" (Hans Gasser, 1862)
Der Sage nach hatte das Donauweibchen die Gabe der Prophezeihung und konnte die Fischer vor Hochwasser warnen. Das Original dieser Skulptur steht im Stadtpark, an der Ringstraße und ist Teil der Brunnenanlage.
Aus 1895 stammt dieses Gemälde "Obstmarkt am Schanzel" von Alois Friedrich Schönn.
Der Schanzelmarkt war bis 1900 der größte Obstmarkt Wiens, am Donaukanal, wo heute der Ringturm steht. Das frische Obst kam mit Booten direkt unter anderem aus der Wachau.
Wir sind im 20. Jhd. angekommen! Wien wurde nach Ende des 1.Weltkriegs auch international bekannt durch seine großangelegten Wohnbauprojekte des "Roten" Wiens. Wohnraum sollte leistbar für alle sein!
Hier ein Modell des 1930 eröffneten Karl-Marx-Hofs.
Mit ungefähr 1050m Länge ist er der längste zusammenhängende Wohnbau der Welt, mit 1400 Wohnungen für 5000 Wiener inkl. Kindergärten, Waschküchen, einer Zahnklinik, Bibliothek, Postamt und anderen Geschäftslokalen. Obwohl zu der Zeit schon die fortschrittlichere (und günstigere) Betonbauweise gebräuchlich war, entschied man sich beim Karl-Marx-Hof und anderen Gemeindebauten bewusst für die traditionelle Ziegelbauweise, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Zu dem Zweck betrieb die Stadt Wien sogar ein eigenes Ziegelwerk.
Wien war in der Zwischenkriegszeit auch Zentrum der Wissenschaft und Philosophie. Links z.B. Kurt Gödl, der bedeutendste Logiker seiner Zeit, der in Wien studiert hatte und Teil des "Wiener Kreises" war. Nach dem Anschluß 1938 emigrierte er in die USA, wo er eine Professur in Princeton bekam und enger Freund Albert Einsteins wurde.
Die Zeit des 2.Weltkriegs, die VIEL Platz im Museum beansprucht, habe ich großzügig übersprungen. Zu einseitig schien mir die Darstellung.
Die Älteren unter Euch werden sich noch an diesen Einrichtungslook erinnern. Nach Ende des 2.Weltkriegs waren viele Wohnungen in Wien zerstört und Geld hatten die Menschen auch kaum. In den 1950- und 60ern versuchte das nach wie vor Rote Wien unter dem Schlagwort der Sozialen Wohnkultur auch leistbare, aber formschöne Möbel für seine Einwohner anzubieten - die sog. "SW-Möbel" entstanden, manche davon sind heute Klassiker!
Sogar dem Plastiksackerl (dtsch. Plastiktüte) ist im Museum Wien Raum gewidmet.
Es hat sich stark gewandelt im Laufe der Zeit: In den 1960er Jahren zunehmend aufgekommen stand es für die moderne Zeit, den "Wohlstand für alle" und für bequemes und flexibles Einkaufen. Heute ist es geradezu verpönt und steht - wohl zu recht - für "verschwenderisches", nicht nachhaltiges Konsumverhalten.
Den "KGM" (Konsum-Großmarkt) gibt es schon lange nicht mehr, 1995 ging er insolvent.
Zum Museums-Maskottchen (im Shop als Plüschtier erwerbbar) ist der legendäre, ca. 10m lange "Praterwal" geworden. Er war mehr als sechzig Jahre lang der Hingucker über dem Eingang des Gasthauses „Zum Walfisch“ im Prater. Wer kann sich daran noch erinnern?
Nach dem Schliessen des Restaurants vor einigen Jahren strandete der Wal auf dem Gelände der Abbruchfirma, wurde aber wiederentdeckt, renoviert und hängt nun in einem der Säle des Museums.
Nicht minder ein Kuriosum ist das "Waldheim-Holzpferd".
Dem Bundespräsidentschaftskandidaten von 1986, Kurt Waldheim (ÖVP) wurde im Wahlkampf von der SPÖ und anderen "Nestbeschmutzern" vorgeworfen, er sei während der Nazi-Zeit Kriegsverbrecher gewesen - die sog. "Waldheim-Affäre". Eine frühe Form von Schmutzkübelkampagne (noch völlig ohne social media😀), aber damals Thema Nr.1, ich kann mich noch gut daran erinnern. Weil er in der Kavallerie gedient hatte und Fotos von ihm zu Pferd in SA(?)-Uniform zirkulierten, er aber jede Beteiligung an Kriegsverbrechen bestritten hatte, machte der damalige SPÖ-Chef Fred Sinowatz die Anmerkung "Ich stelle fest, dass Kurt Waldheim nie bei der SA war, sondern nur sein Pferd.". Darauf hatten Linke Künstler (Peter Turrini, Alfred Hrdlicka und Manfred Deix) dieses Holzpferd mit SA-Kappe anfertigen lassen und wohin er auch reiste (z.B. Vatikan, Salzburg), nahmen sie und eine "Künstlergruppe" das Pferd mit, was oft mehr Aufmerksamkeit verursachte als der Besuch Waldheims selbst (mehr dazu).
Waldheim war schon vorher von 1972 bis 1981 UNO-Generalsekretär, doch just während des Wahlkampf 1986 war er plötzlich Nazi-Kriegsverbrecher. Die Wahl zum Bundespräsidenten hatte er trotzdem gewonnen (oder gerade deswegen!), durch die Negativpropaganda kam er aber auf die US-Watchlist, erhielt ein Einreiseverbot in die USA und Israel berief seinen Botschafter aus Wien zurück (bis 1992!), sodaß er zwar das Amt hatte, aber seine Präsidentschaft stark beschädigt war, und der Ruf Österreichs dazu. Eine Historikerkommission hatte nie irgendwelche Beweise für Kriegsverbrechen gefunden (nur Wissen darum), das israelische Justizministerium ebensowenig. Der SPIEGEL hatte sich damals schon blamiert, indem er 1988 einen angeblichen Beweis für Kriegsverbrechen Waldheims publizierte, der sich später als Fälschung herausstellte. Letztlich haben durch diese Rufmord-Kampagne alle verloren, was meint Ihr?
Die aus den 1950ern stammenden 1,25m hohen Edelstahllettern "Südbahnhof" (ca. 12m lang), die über der zentralen Halle des Wiener Südbahnhofs angebracht waren, haben hier ebenfalls ihre letzte Ruhestätte gefunden. Der Südbahnhof war bis 2009 der größte Bahnhof Österreichs und wurde danach komplett abgerissen (und durch den neuen Hauptbahnhof ersetzt).
Ermüdet von der Ausstellung, kann man auf der Galerie guten Kaffee und Mehlspeisen konsumieren und dabei die Aussicht auf die Karlskirche geniessen.
Hier noch eine Quizfrage für Euch: Wer kann erraten, worum es bei dieser Wien-Graphik geht? Wer als erster die richtige Antwort errät, bekommt ein 100% Upvote!
https://www.wienmuseum.at/wien_museum
Wo?
1040 Wien, Karlsplatz 8
Wann?
Dienstag, Mittwoch, Freitag, 09:00–18:00
Donnerstag, 09:00–21:00
Samstag und Sonntag, 10:00–18:00
Eintritt frei! Nur für die Sonderausstellungen braucht man ein Ticket
Blick vom Museum Wien auf den Resslpark.
All pics by @stayoutoftherz
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