Liebe Leser,
„Wir haben eine andere Sauerstoffquelle auf dem Planeten als die Photosynthese“, Andrew Sweetman, Meeresbodenökologe an der Scottish Association for Marine Science in Oban, UK.
Sauerstoff ist das häufigste Element der Erde, aber es existiert zumeist in Verbindungen (wir selbst bestehen zu 70% aus H2O). Bislang lernt jedes Schulkind, dass nur die Pflanzen (bzw. photosynthesebetreibende Organismen) den gasförmigen, elementaren Sauerstoff in die Athmosphäre bringen. Die Lehrbücher müssen jetzt vermutlich umgeschrieben werden!
Denn auf dem Meeresgrund im Pazifik (in der sog. Clarion-Clipperton-Zone zwischen Mexiko und Hawaii) hat man in ca. 4000m Tiefe Proben aus Meeresboden mit Meerwasser eingefangen und die Sauerstoffkonzentration über die Zeit gemessen. Überall auf der Welt findet man in ähnlichen Tiefseeproben, dass die O2-Levels langsam fallen, denn ohne Licht können dort eventuelle Organismen keinen Sauerstoff produzieren und er gelangt in solche Tiefen - so glaubte man bisher - nur durch Meeresströmungen von oberflächennahen Gewässern.
Aber bei Messungen in dieser speziellen Gegend, die besonders reich an Manganknollen ist, erhöhten sich die O2-Werte in den Probenbehältern, anstatt zu sinken!
Die Forscher dachten zuerst an Meßfehler, aber sie wiederholten die Versuche mehrmals und auch mit alternativen Meßverfahren. Das Ergebnis blieb das gleiche!
Und die Menge an produziertem "dunklen" Sauerstoff war nicht gering, sondern höher als z.B. in algenreichen Oberflächengewässern entstehen!
Die Ursache muss wohl mit den Manganknollen zu tun haben, denn nur in Meeresböden mit diesen rohstoffreichen, kartoffelartigen Knollen zeigte sich der Effekt. Deren Abbau zur kommerziellen Nutzung gilt nach wie vor als unrentabel (das könnte sich aber in Zukunft ändern).
Die einzig mögliche Erklärung scheint die zu sein, dass die Manganknollen imstande sind, das sie umgebende Wasser in H2 und O zu spalten, also Elektrolyse zu betreiben. Tatsächlich konnte man Spannungsunterschiede an der Oberfläche der Knollen messen, aber nur bis zu 0,95 Volt - weniger als die 1,5 Volt, die für die Spaltung eines Wassermoleküls eigentlich erforderlich sind. Die Knollen fungieren also tatsächlich wie natürliche Batterien, wobei aber noch rätselhaft ist, wie sie die erforderliche Spannungsdifferenz für die Spaltung von Wasser erzeugen. Eventuell haben sie "eingebaute" Katalysatoren, die die Schwelle von 1,5V senken können?
Auch ist noch unklar, ob die Reaktion auch Wasserstoff (H2) erzeugt - wie in der herkömmlichen Elektrolyse - oder Protonen im Wasser freisetzt, während die übrig gebliebenen Elektronen woanders hingeschleust werden. Wenn man das besser versteht, könnte es nützliche Anwendungen geben, z.B. bessere Katalysatoren für weit effizientere und damit rentable H2-Erzeugung - sehr wichtig für die Autokraftstoffe der Zukunft!
Zwei weitere Auswirkungen haben diese Erkenntnisse:
Die Anwesenheit von (gasförmigem) Sauerstoff auf Exoplaneten muss nun nicht unbedingt als ein Zeichen für Leben auf anderen Planeten gesehen werden.
Zweitens ist die mögliche kommerzielle Ausbeutung der Manganknollen zur Rohstoffgewinnung vermutlich noch weit gefährlicher für die Meeresbodenökosysteme als bisher angenommen, wenn die Tiefseelebewesen, die man dort unten in überraschend hoher Zahl und Vielfalt findet, auf die Sauerstoffproduktion der Manganknollen angewiesen sind!
Quellen:
https://www.nature.com/articles/d41586-024-02393-7?utm_medium=Social&utm_campaign=nature&utm_source=Twitter#Echobox=1721660772
https://www.helmholtz.de/newsroom/artikel/eine-neue-sauerstoff-quelle-in-der-tiefsee-1/
https://www.geomar.de/fileadmin/content/entdecken/rohstoffe_ozean/manganknollen/factsheet_manganknollen_de.pdf