Im neuen Museum Wien

in #hive-1664965 months ago

Kürzlich bin ich endlich dazugekommen, das umfangreich sanierte und erweiterte Museum Wien am Karlsplatz zu besuchen.

So schlicht hat das Museum nach der ursprünglichen Eröffnung im Jahr 1959 ausgesehen. Es wurde 1954 - 1957 nach Plänen von Oswald Haerdtl gebaut und steht unter Denkmalschutz.
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Vier Jahre war es geschlossen für den aufwendigen Umbau, seit 6. Dezember 2023 ist es wieder geöffnet, mit einem Glas-Vorbau und 2 zusätzlichen Stockwerken - einem Veranstaltungscenter & Kaffeehaus mit netter Rundumgalerie und darüber einem massiven, geradezu brutalistisch wirkenden "Schwebegeschoß", für die Sonderausstellungen. Hier die Ansicht vom gegenüberliegenden Musikverein.
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Die Vorderansicht heute. Im Erdgeschoß ist jetzt ein Restaurant untergebracht.
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Das ursprüngliche Eingangspartal, von außen hinter dem Vorbau verschwunden (dessen Nutzen mir nicht ersichtlich ist), ist noch genau das Gleiche (wie auf dem ersten Foto zu erkennen) aus den 1950er Jahren, noch mit dem alten Namen "Historisches Museum der Stadt Wien" und dem Stadtwappen darüber.
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Auch das Stiegenhaus strahlt noch einen sympathischen 1950er-Jahre Charme aus!
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Aber genug vom Museum selbst, was ist drinnen ausgestellt? Sehr viel, weit mehr als man an einem Tag aufnehmen kann, falls man sich alles ansehen will! Angeblich über 1 Mio. Objekte auf 3300m2.

Die (gratis zugängliche) Daueraustellung "Wien. Meine Geschichte" beginnt chronologisch mit der Urgeschichte und Wiens Frühzeit.

Vor 15 Mio. Jahren befand sich an dieser Stelle noch ein Meer, die Parathethys und Delphine und Haie tummelten sich im Wiener Becken (es war auch viel wärmer als heute). Vor ca. 11 Mio. Jahren zog sie sich zurück und es entstand der Pannon-See, mit einem Donau-Vorläufer und Auwäldern. Mit dem Einsetzen des känozoischen Eiszeitalters (vor ca.3 Mio. J.), das bis heute andauert, wurde es wesentlich kälter und in den Glazialen (den intermittierenden Kaltzeiten) waren im Raum Wien Mammuts anzutreffen, die von den frühen Menschen gejagt wurden (vor ca. 25000 Jahren). Mit dem Ende der letzten Kaltzeit vor ca. 12000 Jahren starb das Mammut aus - Opfer eines Klimawandels.
In der Jungsteinzeit vor ca. 7000 Jahren siedelten sich dann erstmals Menschen im Raum Wien dauerhaft an. Sie betrieben Ackerbau und Viehzucht.
Aber ich sehe schon, das ist viel zu detailiert. Also fasse ich mich ab jetzt kürzer und beschränke mich auf einzelne, interessante Objekte 😄.

Ein aus der Bronzezeit (ca. 1200-1100 v.Chr.) stammendes Gefäß in Tierform, mit einem Rinderkopf(?) und menschlichen Beinen. Die Fachleute rätseln noch, worum es sich dabei handeln könnte. Ähnliche Gefäße wurden auch anderswo in Mitteleuropa gefunden, dieses stammt aus Vösendorf (im Süden Wiens). Wie so oft, wenn man keine Ahnung hat, vermutet man "rituellen Gebrauch".
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Der Römerzeit wurde natürlich einiges an Raum gewidmet, schliesslich waren es die Römer, die Wien gegründet hatten (mehr darüber hier). Hier ein Teil der originalen Wasserleitung aus dem 1.Jhd., die das Legionslager Vindobona mit Trinkwasser versorgt hatte.
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Die Leitung war ca. 17k lang, kam aus dem Wienerwald und versorgte die Therme, die Fließbrunnen, das Krankenhaus und die Latrinen (insg. 6000 Soldaten waren dort stationiert).

Nach der Aufgabe Vindobonas um 408 n.Chr. durch immer wieder einfallende Germanenstämme (Markomannen, Langobarden) und Hunnen, später auch die Awaren gab es über Jahrhunderte eine nur spärliche, aber immerhin kontinuierliche Weiterbesiedelung Wiens (mehr darüber hier). Erst ab 800 wurde Wien schließlich ins fränkische Reich eingegliedert, nachdem Karl der Große nach mehreren Feldzügen die Awaren besiegt hatte, und die Gegend um Wien wurde von den Bajuwaren (Vorfahren der Bayern) neu kolonisiert. Nach Zwischenspielen durch die Magyaren (ab 900), aus denen sich später die Ungarn entwickelten, und des ostfränkischen Reichs unter Königs Otto I. (ab 955), errichteten 976 die Babenberger die Markgrafschaft Ostarrichi und Wien wurde im Jahr 991 als Burgsiedlung ausgebaut. Im 11. Jhd. war Wien bereits ein wichtiger Handelsort. 1155 machte der Babenbergerkönig Heinrich II ("Jasomirgott") Wien zu seiner Hauptstadt.
1221 bekam Wien das Stadtrecht verliehen. 1365 wurde die Universität Wien gegründet, was einen weiteren Zuzug bewirkte. Zwischen 1200 und 1500 wuchs die Bevölkerungszahl Wiens von 10000 auf 25000.

Einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden auch die Türkenbelagerungen 1529 und 1683.
Die Rüstung eines der Verteidiger von Wien bei der ersten Türkenbelagerung, man kann noch in der Gravur am oberen Rand der Harnischbrust den Namen des Besitzers erkennen: Hans von Siergenstein. Er hatte einen Abschnitt der Stadtbefestigung befehligt.
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Aber ob er die Rüstung je getragen hatte bei den Kampfhandlungen oder ob sie ihm nur zu Ehren halber danach angefertigt worden war, bleibt unklar, wie auch so manche Exponate der Ausstellung hinterfragt werden müssen. Dies wird im Museum interessanterweise auch getan!

In dieser Vitrine waren vor dem Umbau verschiedene Objekte ausgestellt, die die Türken nach ihren erfolglosen Belagerungen zurückgelassen hatten, vor allem Kleidung und Waffen.
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In der neuen Ausstellung wird durch Klebezettel die korrekte Einordnung in die Zeit der Türkenbelagerungen relativiert, z.B. bei den Gewehren.
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Auch der Kaffee wurde angeblich erst nach 1683, nach Abzug der Türken, in Wien bekannt, wie oft fälschlisch (Beispiel) behauptet. Auch hier rückt ein rosa Aufkleber die falsche Vorstellung zurecht.
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Eine der bekannteren Darstellungen der Schlacht des Entsatzheeres gegen die Türken 1683 durch den flämischen Maler Frans Geffels.
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Die 4 Figuren des Donnerbrunnens befinden sich heute in einem Saal des Museum Wien, hier die Enns (in Gestalt eines alten Fährmanns).
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Die Skulpturen aus einer Blei-Zinn-Legierung wurden 1737-1739 von Georg Raphael Donner geschaffen. Der Brunnen auf dem Neuen Markt sollte eigentlich Providentiabrunnen (lat. die Vorsehung) heißen, aber das war für die Wiener zu kompliziert, daher nannten sie ihn nach seinem Erbauer und so wird er heute noch genannt.

Ein Portrait von Angelo Soliman, um 1765.
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1720 geboren, wurde er als Kind aus Afrika verschleppt und landete als Kindersklave zunächst in Sizilien. Ab 1754 lebte er unter Fürst Liechtenstein in Wien, war Kammerdiener und später Erzieher der Fürstenkinder. Er war gebildet und verkehrte in aufgeklärten Kreisen und auch in Freimaurerlogen. Dennoch wurde er nach seinem Tod ausgestopft und landete als "Attraktion" im kaiserlichen Naturalienkabinett!

Neuere Ausstellungsobjekte folgen dann in Teil 2...

https://www.wienmuseum.at/wien_museum
Wo?
1040 Wien, Karlsplatz 8
Wann?
Dienstag, Mittwoch, Freitag, 09:00–18:00
Donnerstag, 09:00–21:00
Samstag und Sonntag, 10:00–18:00

Eintritt frei! Nur für die Sonderausstellungen braucht man ein Ticket

Ähnliche Posts:
Geschichte Wiens 1: Römerlager Vindobona
Geschichte Wiens 2: Die Entstehung einer Stadt - Der Berghof
Geschichte Wiens 3: Mittelalter – erster Ansturm der Osmanen

Blick vom Museum Wien auf den Musikverein und links davon das Künstlerhaus (ein Museum, dss heute vor allem zeitgenössischer Malerei gewidmet ist). Genau unter dieser Straße verläuft der Wien-Fluß.
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Toller Beitrag - ich war übrigens auch erst vor kurzer Zeit dort um mir das umgebaute Museum von innen anzusehen. Ich finde den Umbau sehr gelungen und habe "nur" die umfangreiche frei zugängliche Sammlung besucht. Mein Fazit: Sehr empfehlenswert! Mein Lieblingsstück: Der 10 Meter lange Wal vom Gasthof "Zum Walfisch" aus dem Wiener Prater.

Danke!
Der wird in Teil 2 gebührend gewürdigt und auch das "Holzpferd" und viele andere Dinge...

Wieder mal ein interessanter Einblick in die Geschichte. Ein Mensch posthum ausgestopft? Eine brutale Praxis! Ob ich in so einer Rüstung kämpfen wollte? Würde die nicht die Beweglichkeit und das Sichtfeld einschränken? Ich kann mich noch gut erinnern, welche Schwierigkeiten mir beim Heer der Stahlhelm gemacht hatte. Nur ein Helm, nicht eine ganze Rüstung!

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.(2/10)

Sehr interessant, wieder mal ein gelungener Beitrag mit sehr guten Fotos! Ich wusste, dass ein Umbau seit vielen Jahren geplant war, aber nicht, dass er bereits geschehen ist. Bei meinem nächsten Wien-Aufenthalt werde ich rein gehen.

Früher war der Eintritt nur sonntags frei (dann aber auch für die Sonderausstellungen), später dann nur noch am ersten Sonntag im Monat. Auch hier ist die Preispolitik fragwürdig, denn wer zahlt wohl den (nun deutlich größer gewordenen) Fehlbetrag zwischen Kosten und Einnahmen?

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Danke!
Der erste Sonntag im Monat ist immer noch frei, das wusste ich gar nicht und war zufällig an so einem Sonntag dort (vor einer Woche). Daher war sehr viel los und auf einigen Fotos konnte ich nicht vermeiden, andere Menschen drauf zu haben (was ich sonst tunlichst vermeide).

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Das sanierte gute Stück hat ja mit dem Original nicht mehr viel gemeinsam; zumindest vom außen her. Gut zu wissen, dass man ins Museum kann. Bis jetzt habe ich eher die Standards abgeklappert: Kunsthistorische, Naturhistorisches an die 3 mal (mein Favorit ;) usw. Klasse Beitrag und super scharfe Bilder!

Danke!

Sehr interessanter Beitrag. Bei meinem letzten Besuch in Wien war das Museum geschlossen. Noch ein Grund, wieder einmal nach Wien zu reisen.

Fantastischer Bericht. Jetzt weiß ich was ich nachholen muss!

Das beste kommt erst in Teil 2...

bin schon gespannt - und .... es wird wohl bald an der Zeit dass ich dort vorbei schaue. Werde wahrscheinlich mehrere Male hingehen müssen um alles in Ruhe zu besichtigen.

Definitiv, ist zu viel für einmal!