Am westlichen Stadtrand Wiens, abseits der Touristenströme, befindet sich die ehemalige Otto Wagner-Villa, die heute das Ernst Fuchs-Privatmuseum beinhaltet. Sie wurde 1886 bis 1888 nach Plänen des Jugendstilarchitekten Otto Wagner gebaut und war sein Sommersitz und Atelier. 1911 verkaufte er sie an den Theaterdirektor Ben Tieber (Betreiber des Varieté-Theaters Apollo, heute Apollokino). 1938 wurde sie arisiert und diente als Büro der Hitlerjugend. Nach dem Krieg verfiel die Villa und war sogar vom Abriss bedroht (Quelle).
Ich fuhr unlängst daran vorbei und da es gerade nett geschneit hatte, machte ich ein paar Fotos.
Der Maler Ernst Fuchs kaufte 1972 um damals 14 Mio. Schilling das Anwesen aus eigenen Mitteln und erfüllte sich damit einen Kindheitstraum (Quelle). Er ließ die Villa renovieren und adaptieren und richtete hier sein Atelier ein. Da vom Interieur nichts mehr erhalten war, wurden Möbel, Teppiche, Tapeten, Türgriffe und vieles Andere nach Entwürfen von Ernst Fuchs gestaltet und ergänzt. Seither finden viele Werke des Künstlers hier einen dauerhaften Platz und es kommt so zu einer interessanten Fusion zwischen Jugendstil und Phantastischem Realismus!
Ein kleiner Exkurs für Experten: Die "Otto Wagner-Villa" ist streng genommen die Villa Wagner I. Nach dem Verkauf liess er gleich am Nachbargrundstück eine kleinere Villa bauen, die Villa Wagner II, fertiggestellt 1913. Sie war der letzte Wohnsitz des Architekten (er starb 1918).
Das streng geometrische Bauwerk, das so gar nicht in das Jahr 1913 passen wollte, gilt als spätsecessionistisch. Das wunderschöne Eingangsportal wird gekrönt von einem Glasmosaik von Kolo Moser.
Ansicht von der Südseite.
Aber zurück zur eigentlichen, von Ernst Fuchs erstandeneen Villa. Da ich sie schon von außen genau betrachtet hatte, musste ich sie jetzt auch endlich von innen sehen. Der große Salon war das ehemalige Speisezimmer Otto Wagners. Hier wurden um die Jahrhundertwende glanzvolle Soiréen abgehalten. Gäste waren unter anderem Gustav Mahler, Gustav Klimt oder Arthur Schnitzler.
Die aufwendige Intarsie der von Ernst Fuchs entworfenen Sitzgruppe "Hommage an Hoffmann" zeigt einen Doppeladler (Symbol der Monarchie).
Aphrodite und Perseus auf der Augeninsel (1982).
Das Paar Aphrodite und Perseus weilt auf der Insel der Seligen, die Kraft des Perseus triumphiert über die Unterwelt. In seiner Linken hält er das Haupt der Medusa.
Adam Mysticus (1977-1982)
Adam streckt als Baum der Menschheit die Arme nach den Sternen - als Streben nach Höherem. Die Schlange, die sich um ihn windet, verweist auf den Sündenfall.
Der "Kleine Salon" war ursprünglich das Schlafzimmer von Otto Wagner und beherbigt heute wichtige Werke von Ernst Fuchs.
Anti-Laokoon (1965)
Diese Bleistiftzeichnung in Anlehnung an die Laokoon-Gruppe in den Vatikanischen Museen zeigt die Überwindung des Monströsen durch den gläubigen Menschen.
Job and the Judgement of Paris (1966)
Der "Blaue Salon" war ursprünglich ein Wintergarten in Otto Wagners Villa. Nach Umgestaltung durch Ernst Fuchs dominiert heute das Bild "Ankleidung der Esther". Esther, die Beschützerin der Juden, war für Fuchs eine Art Urmutter und ist häufig in seinem Werk zu finden (z.B. auch als Statue auf der Terasse vor der Villa (Bild 1).
Besonders beeindruckend ist der Adolf-Böhm-Saal im Westflügel mit Blick in den Wiener Wald, der als einziger Raum noch das ursprüngliche Jugendstil-Dekor aufweist. Er war früher das Atelier Otto Wagners. Hier hat er die berühmte Kirche am Steinhof entworfen.
Die Stuckaturen stammen von Josef Olbrich, die Fenster von Adolf Böhm.
Im Obergeschoss liess Fuchs ein "römisches Bad" bauen, inspiriert von antiker Villenarchitektur, inklusive Säulen und einem Mosaik über der Badewanne, das allerdings dem Einfluss Kolomann Mosers zugeschrieben wird.
Die Sphinx ist eine Mischgestalt zwischen Mensch und Tier und für die fiktive Mythologie des Ernst Fuchs sehr wichtig. Als Gebärerin ist sie betont erotisch.
Hier eine andere Art seiner Sphingen.
Im kleinen Museumsshop (mit Kaffeehaus) stieß ich mit großer Freude auf Gedrucktes von und über unseren @thermoplastic, vulgo Otto Rapp.
Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall!
Wo:
Hüttelbergstraße 26, 1140 Wien
Wann?
Dienstag bis Sonntag 10:00 – 16:00 Uhr
Ticket:
14€
https://ernstfuchsmuseum.at/